Rückblick: Blicke nach vorn? NS-Vergangenheit und Traumabewältigung Geschichtsverein Rösrath liest aus Tagebüchern

Am 8. Mai 2025, also auf jenen Tag genau, als mit der deutschen Kapitulation vor 80 Jahren in Europa der Zweite Weltkrieg ein Ende fand, hat der Geschichtsverein Rösrath zum vierten und letzten Teil einer Veranstaltungsreihe ins Schloss Eulenbroich eingeladen, die zu diesem Anlass aufgelegt wurde. Der Bergische Saal konnte kaum die gut hundert Interessierten fassen, die einen bewegenden Abend erlebten, wo sich die Lesungen aus Tagebüchern von zwei jungen Menschen in sehr andersartigen Lebenssituationen stimmig mit Musik verbanden. 

Bei den vorangegangenen Veranstaltungen waren von Martin Rüther schon die Buch-Projekte „Und wir werden in alle Winde verstreut“ und „Macht will ich haben“ vorgestellt worden. Darin wird die Entwicklung von Berta Frank bzw. Günther Roos in zwei von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Büchern nachgezeichnet, denen auch zwei GVR-Veranstaltungen gewidmet waren.

Nunmehr sollten abschließend deren sehr unterschiedliche Perspektiven im weiteren Umgang mit dem Thema vermittelt werden, und zwar unter der Fragestellung „Blicke nach vorn? NS-Vergangenheit und Traumabewältigung“.. 

Dank der Tagebuchauszüge lässt sich nachvollziehen, wie die beiden damals gerade 20-Jährigen ihre so diametral gegensätzlichen Erfahrungen der zwölf zurückliegenden Jahre bei und nach Kriegsende verarbeiteten und inwieweit sie ihr weiteres Leben (mit-) bestimmten.  

Günther Roos war zu einem machthungrigen Nationalsozialisten und Rassisten geworden. Er gehörte zu den vielen jungen Menschen, die während der NS-Zeit massiv indoktriniert worden waren, daher im Mai 1945 das Gefühl hatten, den Boden unter den Füßen verloren zu haben und vor dem Nichts zu stehen. Er benötigte Jahrzehnte, um sich von der NS-Ideologie und insbesondere von dem ihm innewohnenden Rassismus zu lösen und sich das verbrecherische Tun des NS-Regimes einzugestehen.

Für Berta Frank dagegen war kein Bleiben in ihrem Heimatland möglich. Sie gehörte zu den jüdischen Deutschen, die in jungen Jahren in ständiger Angst lebten, die vom NS-Regime bedrängt, verfolgt und mit dem Tod bedroht worden waren. Sie schilderte ihre damaligen Erlebnisse, aber auch ihre spätere Sicht auf jenes Deutschland, wo ihnen all das angetan worden war und wo viele ihrer Familienmitglieder ermordet wurden.

Sie „entdeckte“, obwohl von ihrer Mutter christlich erzogen, nach Kriegsende das Judentum als ihre eigentliche Welt. Sie musste Deutschland verlassen und entschloss sich nach Medizinstudium und Promotion zur Auswanderung nach Kanada. All diese Entwicklungen, inneren Kämpfe und Entscheidungen hielten sowohl Berta Frank als auch Günther Roos in ihren Tagebüchern fest.

Die Lesungen der Auszüge daraus erfuhren in ihrer Wirkung noch eine besondere Intensivierung durch die wunderbar musikalischen Intermezzi der Rösrather Pianistin Paula Muthig, die dem Publikum Gelegenheit boten, die gehörten Texte tiefer aufzunehmen und nachklingen zu lassen. Muthig hatte mit Bedacht nur Stücke von Felix Mendelssohn Bartholdy ausgewählt, der als einer der größten deutschen Komponisten unter NS-Herrschaft nicht gespielt werden durfte, weil er zwar christlich getauft war, aber ursprünglich einer jüdischen Familie entstammte. Zum Gesamterfolg des Abends trugen nicht zuletzt auch die einfühlsamen Leseleistungen von Marina und Mirko Wittka sowie von Rainer Grünjes bei. Martin Rüther schloss den Abend mit dem Hinweis, dass der GVR beabsichtige, die vorgelesenen Texte mit dazugehörigen Fotos und Videos auf Anfrage interessierten Schulen zu Verfügung zu stellen, damit Schüler damit in Eigenregie eine Veranstaltung durchführen können.

2025-5-13 Mf

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