Montanarchäologie im Bergischen Land

von Michael Gechtner

Grube Castor am „Tiefer Stollen“, Engelskirchen, ca. 1906

Die Montanarchäologie beschäftigt sich mit den archäologischen Hinterlassenschaften des Bergbaus sowie der Aufbereitungs- und Verhüttungsplätze der Erze.

Infolge der Erkenntnis, dass im Bergischen und im Siegerland abbauwürdige Eisenerze anstanden, erfolgte in diesem Gebiet im 7./6. Jahrhundert v. Chr. eine verstärkte Aufsiedlung. Gefragt waren zu dieser Zeit die Brauneisenerzvorkommen im östlichen Bergischen und anschließendem Siegerland. Auch die Raseneisenerzvorkommen auf der Mittelterrasse des Rheintals wurden abgebaut.

Die ältesten Hinweise auf bergbauliche Tätigkeiten im Bergischen kennen wir aus dem 7./6. Jahrhundert v. Chr. von der Niederterrasse des Rheins aus Düsseldorf-Rath.

Hier konnte ein Rennfeuerofen in einer Siedlung nachgewiesen werden. Auf Kupferbergbau derselben Zeit weisen Scherben aus dem Bereich der Grube Anacker in Rösrath Hoffnungsthal (GL) hin.

Aus der Zeit des letzten Jahrhunderts v. Chr. kennen wir Eisenschmelzanlagen aus dem Königsforst, Rösrath (GL). Bei Hennef Altglück (SU) wurde in dieser Zeit schon Bergbau auf Silberund Bleierze unternommen. Obwohl aus den ersten 500 Jahren v. Chr. Geburt im Bergischen Land nur wenige direkte Hinweise auf Bergbau gefunden wurden, kann davon ausgegangen werden, dass die damalige Bevölkerung vom Bergbau auf Raseneisenerz/Brauneisenerz sowie vereinzelt auf Kupfer/Silbererz gelebt hat. Die Stammeskultur ging infolge des römischen Einmarsches in das Rheintal zugrunde. Die später hier sich ansiedelnden Germanen waren wirtschaftlich von den Römern abhängig und bildeten eine Wirtschaftsgemeinschaft mit ihnen.

In der Frühzeit der römischen Anwesenheit am Rhein wurde von den Römern im Rechtsrheinischen Bergbau auf Silber/Bleierze betrieben. Dies konnte an drei Orten nachgewiesen werden, an denen auch im Mittelalter und in der Neuzeit Bergbau auf den Gruben Altglück bei Hennef (SU), Lüderich bei Rösrath (GL) und Bliesenbach bei Engelskirchen (GM) betrieben wurde. Alle drei Fundstellen werden aufgrund ihrer Funde in die Zeit um 20. n. Chr. datiert. Bei diesen handelt es sich um römische Keramik, teilweise sogar um Importkeramik aus dem Mittelmeerraum. Bei der Grube Altglück konnte neben einer großen ausgedehnten Siedlung auch eine kleine Befestigungsanlage und ein ursprünglich ca. 500 m langer und 32 m breiter Tagebau, dessen Sohle zum Teil bis zu 12 m tief ist, festgestellt werden. Die Befestigungsanlage war wohl von dem Besitzer der Mine errichtet worden. Von den neu zugewanderten Germanen wurde auch wieder Eisenerzbergbau im Bereich der Mittelterrasse des Rheintals betrieben. Hinweise auf solche Eisenschmelzen finden wir in den Bereichen Essen-Hinsel, Rösrath und Bergisch Gladbach (GL). Dagegen scheint der Kupferbergbau bei Overath-Schalken (GL) während der 1. Hälfte des 2. Jh. direkt von den Römern betrieben worden zu sein. Die zeitlich letzte römische Bergbauaktivität im Rechtsrheinischen fand im Kupferbergbau statt. Die seit dem Mittelalter betriebene Grube Virneberg bei Rheinbreitbach (NR) wurde schon in der 1. Hälfte des 4. Jhs ausgebeutet.

Mit dem Ende der Römerherrschaft am Rhein brach auch der Bergbau zusammen. In den aufgelassenen linksrheinischen römischen Siedlungen fand sich genügend Buntmetall und Eisen, so dass bis in karolingische Zeit dieser Schatz ausgebeutet werden konnte. Nur der Eisenerzbergbau scheint schon früher wieder aufgenommen worden zu sein. Aus Bergisch Gladbach Paffrath (GL) liegen Hinweise auf eine im 7./8. Jh. bestehende Raseneisenerzverhüttung vor. In karolingischer Zeit (9. Jahrhundert) ging das Recycling der römischen Buntmetalle mangels Masse zurück, so dass wieder mit dem Abbau der Erze begonnen werden musste. Aus dieser Zeit liegen Hinweise auf Metallerzbergbau (Kupfer, Blei, Silbererze) im Bereich der Gruben Anacker (Rösrath GL) und Penny (Neunkirchen-Seelscheid SU) vor. Hierzu passt auch der Hinweis, dass 1222 vom damaligen Kölner Erzbischof Dietrich I. Kupferhändlern aus Dinant (Belgien) ihre seit karolingischer Zeit bestehenden Zollprivilegien bestätigt wurden.

Dies sind u.a. die ältesten Hinweise auf die mittelalterliche Neubesiedlung des Bergischen Landes. Im Zuge dieser Landnahme kam es zuerst entlang der Überlandstraßen ins Siegerland neben der bäuerlichen Aufsiedlung auch zu einer Ausweitung der bergbaulichen Aktivitäten. Die Blütezeit lag im 12. und 13. Jahrhundert. Hierbei muss ganz klar zwischen bäuerlichen Nebenerwerbsbetrieben und Großbetrieben, die vom Landesherrn, Adel oder Kaufleuten geführt wurden, unterscheiden wer den. Die bäuerlichen Nebenerwerbsbetriebe beschränkten sich fast ausschließlich auf die Produktion von Roheisen im Rennfeuerverfahren. Diese Öfen liegen im Bergland auf den Höhen, meist neben einer Quelle, um Wasser für den Lehmaufbau des Ofens und dem anschließenden Ausschmieden der Luppe zu Roheisenbarren zu erhalten.

Bei Waldbröl-Hoff(GM) konnten Schürfstellen und Öfen untersucht werden; Holzkohleproben datieren den Befund in die Mitte des 12. Jhs. Aus einem weiteren Rennfeuerofen bei Walbröl-Schnorringen in der Flur „Auf’m Ferkelshahn“ konnte ein zusätzliches C14 Datum von 10401220 gewonnen werden. Nur durch Keramik werden Schlackenhalden und Rennfeuerofenreste datiert:

  • in das 11. Jahrhundert Wermelskirchen Dabringhausen Dhünn (GL), Marienheide, oberes Wippertal (GM)],
  • in das 12. Jahrhundert Wermelskirchen Dabringhausen Scherpendhünn (GL), Engelskirchen-Loope Lützenbachtal (GM), Kürten Königsspitze und Hutsherweg (GL),
  • in das 13. Jahrhundert Wermelskirchen Dabringhausen-Dhün und Dhünenbur (GL), Odenthal-Strünken und Landwehr (GL), Kürten-Königsspitze (GL) und Engelskirchen-Kaltenbach und Silberkaule (GM).

Dass diese Nebenerwerbsbetriebe auch noch später genutzt wurden, zeigen die Befunde aus Reichshof-Windfuß (GM) aus dem 13.15. Jh. und aus Wermelskirchen Dabringhausen Steinhausen (GL), wo sich eine Schlackenhalde mit Keramik der frühen Neuzeit fand.

Ganz anders dagegen waren die großen Metallerzminen organisiert. Im Bereich der Grube Silberkaule (Engelskirchen GM) konnten die Wohnplattformen von 30 Knappenhäusern mit Probierschmelzen und Köhlerplatten, zwei Schmelzstätten auf Bleiglanz sowie die Förderschächte nachgewiesen werden. Diese Minensiedlung bestand nur im 13. Jahrhundert. Sie wurde gegen räuberische Übergriffe, die von der benachbarten Überlandstraße, der „Brüderstraße“, drohen konnten, durch eine Landwehr geschützt. Dies scheint ein Hinweis dafür zu sein, dass diese Kunstsiedlung vom Landesherrn eingerichtet worden war. In derselben Zeit wurden auch die Gruben Altglück, Lüderich und Bliesenbach wieder im großen Maßstab betrieben. Von der Bliesenbach liegen Holzgezähefunde vor, die um 1217 datiert werden können. Ähnliche Gerätschaften derselben Zeitepoche fanden sich auch in der Grube Lüderich. Wie in der zeitgleichen Bergbausiedlung Altenberg im Siegerland, wurde bei diesen Gruben der Abbau im Schachtvortrieb durchgeführt.

Für das 14. Jh. fehlen bislang archäologische Quellen als Beleg für den Bergbau im Bergischen Land. Erst im 15. Jh. sind solche Aktivitäten wieder nachzuweisen. Der älteste bislang datierbare Stollen im Bergischen Land ist der vom Alten Giersberg in Ründeroth(GM). Es handelt sich um einen Wasserlösungsstollen, der in Schlägel und Eisentechnik aufgefahren wurde. Historisch lässt er sich mit einer Quelle aus dem Jahr 1474 in Verbindung bringen.

In die Zeit des 13. Jahrhunderts fällt auch eine Verbesserung der Hüttentechnologie. Die reichlich vorhandene Wasserkraft wurde jetzt zum Antrieb von Blasebälgen genutzt. Der älteste bislang nachgewiesene Eisenschmelzofen Floßofen stammt aus dem Jahre 1275 im Siegerland (Kerspetal). Aufgrund der Keramikfunde können Floßöfen bei Marienheide-Wernscheid, Marienheide-Lambach und Marienheide-Höfel sowie im Stadtgebiet von Gummersbach an der Agger und Genkel (GM) ebenfalls in das 13. Jahrhundert datiert werden. Im Bergischen konnte vor einigen Jahren bei Marienheide (GM) an der oberen Wipper ein Floßofen untersucht werden, der in das 14./15. Jhdt datiert.

Seit dem Hochmittelalter wurde Eisenerz demnach im Märkischen und im Bergischen in solchen Öfen verhüttet. Die Wiege dieser neuen Technologie, auf die unsere heutigen Hochöfen zurückgehen, befand sich daher in diesem Gebiet.

Auch in der Metallerzverhüttung wurden jetzt wassergetriebene Blasebälge eingesetzt. Diese Öfen und die dazugehörenden Aufbereitungsanlagen wurden nun in den Tälern, nahe dem Wasser, errichtet. Diese sehr kostenintensiven Anlagen konnten allerdings nicht mehr im Nebenerwerb betrieben werden. Die Öfen liefen mehrere Wochen und mussten Tag und Nacht beobachtet und neu beschickt werden. Solche Anlagen konnten sich seit dem Hochmittelalter nur Finanzierungsgesellschaften leisten.

Mit dem Beginn der Neuzeit können wir aufgrund der guten Aktenlage neben den archäologischen auch noch historische Quellen über den Bergbau nutzen.

Im späten 15./16. Jahrhundert ereignet sich ein regelrechter Bergbauboom nicht nur im Bergischen Land. Für diese Zeit sind hier einige Beispiele genannt. Auf dem Großen Heckberg (Gemeinden Engelskirchen (GM) und Much (SU) wurde jetzt Eisenerz abgebaut. Die Schächte zerstörten die jetzt überflüssige Landwehr, die zum Schutz der Silberkaule errichtet worden war. Der Abbau erfolgte hauptsächlich durch Schächte. Der einzige Stollen, der zur Bewetterung und Entwässerung der Gruben diente, mündete im Bereich der ehemaligen Bergknappensiedlung Silberkaule. Das Erz wurde in der Verrer Hütte am oberen Loopebach verhüttet. Keramikfunde datieren diesen Floßofen in das 16. Jahrhundert.

In derselben Zeit wurde auf dem Bergrücken zwischen dem Eibachtal und der Oberen Leppe nach Eisenerz geschürft (Lindlar GM). Die Aktivität scheint von den Besitzern der Burganlage Eibach ausgegangen zu sein. Das Aussehen des Grubenfeldes weist darauf hin, dass hier hauptsächlich im Tagebaubetrieb Eisenerz abgebaut wurde. Es gibt aber auch Hinweise auf tiefere Schächte und sogar auf Doppelschächte, die parallel in den Berg hinab getrieben wurden, um dann unter Tage miteinander verbunden zu werden. Ähnlich wie auf dem Heckberg gibt es bei diesem Bergbaubereich nur einen einzigen Stollen, dessen Mundloch ehemals in Stein ausgebaut worden war. Die Hütte hierzu wurde im Leppetal errichtet. Um 1590 wird sie noch erwähnt. 1610 ist aber der Bergbau und Hüttenbetrieb wahrscheinlich wegen Unergiebigkeit der Grube aufgeben worden, denn die Hütte ist jetzt zu einem Hammerwerk, dem späteren Eibacher Hammer, umgebaut worden.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie ein Kleinadliger den Wirtschaftsboom und den Roheisenbedarf nutzen wollte. Er scheiterte lediglich daran, dass seine Erzvorkommen zu schlecht oder zu gering waren. In dieser Zeit scheint auch die jetzt wieder geöffnete und als Besucherbergwerk genutzte Grube Silberhardt (Windeck SU) das erste Mal befahren worden zu sein. Nach dem obertätigen Befund könnte sie sogar noch aus dem Hochmittelalter stammen, untertage fanden sich hierfür jedoch bislang keine Spuren.

Im 16. und 17. Jahrhundert begann in einem Seitenbachtal des Naafbaches (Lohmar/Neunkirchen-Seelscheid SU) ein verstärkter Kupferbergbau. Beidseits des Baches wurden in mehreren Gruben Kupfererz abgebaut, das dann vor Ort aufbereitet und auch verhüttet wurde. Ein Bergwerk, Walpot, konnte vor einigen Jahren geöffnet und untersucht werden. Der Wasserlösungsstollen der Grube Walpot wurde noch vor dem Dreißigjährigen Krieg aufgewältigt. Aufgrund von Keramikmaterial kann die Verhüttung in das späte 16.Jahrhundert datiert werden. Die Hauptbetriebsphase dieser Grube und der benachbarten Grube Wolter-Plettenberg dürfte jedoch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelegen haben. Zu dieser Zeit arbeiteten auch noch die Aufbereitungsanlage und die Hütte. Der Steiger, der gleichzeitig auch Hüttenmeister war, residierte in einem Gebäude neben der Hütte, von dem sich heute noch Spuren im Gelände befinden. Aus derselben Zeit stammen die zwei Eisenerzgruben Prosa und Zwischenfeld bei Windeck (SU), die zum Kohlberger Gangzug gehören und die vor kurzem untersucht werden konnten.

Eine letzte Blüte erlebte der Bergische Bergbau ab der Mitte des 19. Jhdts, um dann aber mit Beginn des 20. Jhdts langsam aufgegeben zu werden. In dieser Zeit wurde die Anlage Neumoresnet bei Engelskirchen Kaltenbach (GM) eröffnet, die zwischen 1826 und 1882 betrieben wurde. Sie wurde 1996/97 aufgemessen. Mit der Stillegung des Bergwerkes Lüderich am 27.10.1978 endete der Bergbau im Bergischen Land, der bislang für gut 2500 Jahre nachgewiesen werden konnte.

In Waldbröl-Hoff haben Archäologen im Sommer 1998 diesen Rennfeuer Ofen ausgegraben und genau untersucht. Analysen der Holzkohlenreste ergaben, dass in diesem Vorläufer der heutigen Hochöfen im Mittelalter Eisen geschmolzen wurde. Keramikfunde in einem nahen Feld beweisen, dass an diesem Ort schon in der Eisenzeit Menschen siedelten. Das Foto zeigt Reste des Ofens und des Schlackenabflusses.
Mit einer Schaufel aus Eichenholz arbeiteten im Mittelalter die Bergleute in der Grube Bliesenbach. Die Originalfunde werden im deutschen Bergbaumuseum in Bochum aufbewahrt.
Scroll to top